Stendhal hätte es mit einem Agenten vermutlich leichter gehabt
Über das Geschäft der Literaturagenten, Veränderungen im Verlagswesen und Kräfteverschiebungen im Literaturbetrieb
Als Sie von DuMont zu Piper wechselten, haben Sie über den Neustart gesagt, es gebe „keine Zeit, die aufregender und schöner wäre“, weil „man noch ganz frei von Routinen agieren kann und alles neu gedacht werden muss“. Nun haben Sie Piper verlassen und sich als Literatur- und Filmagent selbständig gemacht. Was denken Sie jetzt neu? Im Grunde gilt das, was ich damals gesagt habe, jetzt noch mehr. Ich habe ja nicht nur den Verlag gewechselt, sondern auch die Seite, die ganze Perspektive auf den so genannten Literaturbetrieb. Auch wenn ich in meinen Verlagsjahren viel mit Agenten zu tun hatte, nach dieser Zäsur fühlt sich für mich fast alles neu und frisch an. Bei allem Hintergrundwissen und aller Verlagserfahrung tue ich ja jetzt vieles zum ersten Mal oder zumindest mit anderen Vorzeichen. Neuland zu betreten, ist ja etwas, was Kräfte freisetzt und inspiriert. Es kann ja nicht darum gehen, alles so zu machen wie die anderen, die es schon gibt, sondern darum, etwas Eigenes zu entwickeln, eine eigene Haltung, eigene Herangehensweisen.
Die Seiten zu wechseln war offensichtlich eine schnelle Entscheidung. Sie fiel tatsächlich am gleichen Tag. Vielleicht hat das damit zu tun, dass ich mich mit dem Gedanken immer schon mal getragen hatte. Für mich war klar, dass ich nicht in einem anderen Verlag arbeiten wollte, in welcher Funktion auch immer, ich wollte selbständig sein, weil ich so näher an dem Wichtigen dran bin: mit den Autoren zu arbeiten, mit den Texten zu arbeiten.
Hat sich die Verlagsarbeit im Laufe der Jahre zu stark verändert? Angefangen habe ich als Lektor bei Rowohlt, da ist man naturgemäß näher am Manuskript, näher am Autor dran, fokussierter, und mit jeder Beförderung hat man einerseits mehr Gestaltungsmöglichkeiten in der Breite, entfernt sich aber von dieser intensiven Auseinandersetzung immer weiter, strukturell, weil es zu viele Bücher sind, die man verantwortet. Bei Rowohlt, wo ich zuletzt Leiter des Taschenbuchprogramms war, waren es 500 im Jahr, bei DuMont war es eine ganz angenehme Reduktion auf 100 Titel, mit dem Schritt zu Piper waren es dann wieder über 500. Das sind praktisch zwei Bücher pro Tag, zu denen man ja sagen muss. Und dahinter stehen sehr viele Projekte, zu denen man nein gesagt hat. Das bedeutet zwangsläufig, dass man viel auf der Basis von Erfahrung und Routine entscheidet, was aber den individuellen Zugang zu Autoren immer schwieriger macht.
Was halten Sie für Ihre wichtigste Aufgabe als Agent? Ich war auch als Verleger sehr nah an den Autoren, habe mich aber immer in einer Art Zwiespalt gesehen: Ich wollte für meine Autoren viel ermöglichen, auf der anderen Seite gab es aber die Interessen der Gesellschafter, die eingefordert werden, und manchmal stehen die legitimen Interessen des Verlages und die legitimen Interesen des Autors gegeneinander. Als Agent bin ich eindeutig positioniert, da bin ich der Anwalt der Autoren, ich setze mich für sie ein und kann das ohne jede Brechung tun.
Den gesamten Text, erschienen in VOLLTEXT 3/2016,
schicke ich Ihnen gerne auf Anfrage.